Die kulinarische Seite des Lebens ohne Senf zu bestreiten – für mich einfach undenkbar. Vor allem darf die Bautz´ner Variante davon nie im Kühlschrank fehlen! Schließlich ist Bautzen meine Geburtsstadt. Vor ein paar Monaten – da hatte ich gerade ein senflastiges Mahl zu mir genommen – ließ ich mich von der vielseitigen Würzsoße zu folgendem “Werbetext” inspirieren.
Gelb ist die Farbe, die viele irgendwie mit Bautzen verbinden. Gelb wie der schmackhafte Senf, der sich vom ostdeutschen Nischenprodukt allmählich zum Marktführer in deutschen Landen entwickelt hat. Und gelb leuchten immer noch die Mauern und Wände des Gefängnisses, das im Norden der Stadt zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts errichtet worden war. Bereits wenige Jahre nach seiner Fertigstellung erhielt es den Namen „Gelbes Elend“ – in Anspielung auf die gelben Klinkersteine, die hier verbaut wurden. In der DDR wurden im „Stasiknast“ zahlreiche politische Häftlinge untergebracht; das Wort „Bautzen“ klang in den Ohren politisch Engagierter deshalb wie eine ernstzunehmende Drohung …
Doch man tut der historischen Hauptstadt der Oberlausitz zweifellos unrecht, reduziert man sie nur auf ihre dunklen Epochen. Bautzen wurde vor mehr als 1000 Jahren als Festung auf einem von der Spree umspülten Felsen errichtet. So alt wie die Stadt, so zahlreich sind auch ihre Sehenswürdigkeiten. Mehr als 1000 denkmalgeschützte Gebäude aus Gotik, Renaissance oder Barock wollen entdeckt werden. Die „Stadt der Türme“ mit ihrer weitestgehend erhaltenen mittelalterlichen Struktur mutet in ihrem ältesten Teil geradezu südländisch an: Enge Gassen, geheime Gänge und Gotteshäuser prägen das Bild.
Mittlerweile ist ein Großteil der Gebäude saniert; nach und nach ist wieder Leben eingezogen. Kneipen, Bars und Restaurants -oft in alten Gewölbekellern zu finden- können u. a. beim alljährlichen Kneipenfest kulinarisch und musikalisch entdeckt werden. Natürlich dürfen in der „Senfstadt“ auch Einrichtungen nicht fehlen, die sich ganz der gelben Würzpaste verschrieben haben. Bautz’ner Senf in allen Variationen und zum Probieren gibt es in der zentral gelegenen Heringstraße und auch das Museum auf dem Fleischmarkt lädt ein, mehr über die Geschichte des „gelben Goldes“ zu erfahren.
Apropos südländisches Flair: Wussten Sie, dass Bautzen einen schiefen Turm hat? Keine Frage, der berühmte Bruder im toskanischen Pisa ist und bleibt eine ernstzunehmende Konkurrenz für den Reichenturm am östlichen Rand der Altstadt. Letzterer weicht an seiner Spitze aber immerhin um 1,44 m von der Senkrechten ab und ist damit zweifellos DIE kuriose Attraktion der Stadt.
Dem aufmerksamen Besucher fallen in der Stadt und ihrer Umgebung früher oder später die senfgelben zweisprachigen Ortsschilder auf. Und vielleicht haben auch Sie schon den einen oder anderen Gesprächsfetzen aufgeschnappt, der ihnen irgendwie spanisch … nein … slawisch vorkommt. Doch diese Zweisprachigkeit ist nicht als Zugeständnis an die nur eine kurze Fahrtzeit entfernten slawischsprachigen EU-Nachbarländer Polen und Tschechien aufzufassen. Bautzen, Budysin, ist das politische und kulturelle Zentrum des klein(st)en slawischen Volkes der Sorben in der Oberlausitz. Damit gehört die Stadt im Spreetal neben Cottbus und Flensburg zu den drei Städten Deutschlands, in denen traditionell eine autochtone, also alteingesessene, Minderheit lebt.
Manchmal wird der altehrwürdigen Stadt auch in aktuellen Songtexten ein Denkmal gesetzt. So geschehen im Lied „Nach Haus“ der Band Silbermond, deren eingängige deutschsprachige Popmusik neben Senf als weiterer Exportschlager Bautzens in der Neuzeit gelten dürfte. Dort heißt es:
„Ruhig und königlich liegst du hier vor mir
Deine Anmut ist schon zu sehn von hier
Du wirst sie nie verlieren“
Herzlich Willkommen in Bautzen!